KVP Vor-und Nachteile (kritische Betrachtung)

  • Andre
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#8648 by Andre
Hi,
bräuchte mal ein wenig Hilfe von euch.
Egal wo ich mich über das Thema des kontinuierlichen Verbesserungsprozzes ( KVP ) kundig mache. Sehe ich nur positive Argumentationen zu diesem Thema. Aber es wird doch sicherlich auch Nachteile zu diesen Methoden des KVP geben. Eine kritische Betrachtung wäre mir sehr Hilfreich.
Danke schon mal für eure Hilfe.



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  • Florian
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#8654 by Florian
Hallo Andre
Die Nachteile entstehen eher aus der Art und Weise der Umsetzung. Vielleicht müsste man auch sagen, wenn der KVP mit den alten Managementideen geführt wird, geht er in die Hosen.
Damit meine ich z.B. dass der moderne Manager es nicht fertig bringt, vom Kontrolleur zum Berater zu werden und sich daher auch nichts ändern wird.
Eigentlich möchte ich noch einen Schritt weiter gehen. KVP ist keine Methode, vielleicht ein Prozess, aber keine Methode. Im KVP werden verschiedenste Methoden zum Auffinden von Potezialen, ermitteln der Ursachen, organisieren von Teams usw. eingesetzt. Welche Methoden dabei wirklich wirksam sind und welche nicht, auch da findest Du eine breite Front von Meinungen.
Für mich baut der KVP auf verschiedenen Theorien und Methoden auf. Achte darauf, dass Du nachvollziehen kannst, wie Theorien aufgebaut sind. Z.B. die Errechnung der Wurfbahn basiert auf dem Newtonschen Gesetz, Wissen zum Luftwiderstand, usw. In der Managementlehre gibt es nur wenige, die wirklich ernst genommen werden können, da selten ein wissenschaftlicher Aufbau der Theorie gewährleistet ist. Louis Pasteur und seine Kollegen brauchten über 50 Jahre, bis die meisten Ärzte ihre Hände wuschen und damit deutlich weniger Patienten an Infektionen starben.
Ich denke Manager sind noch sturer, wenn also neues Wissen zu einer Theorie auftaucht, geht es meist Jahrzehnte bis sie umgesetzt werden.
Die meisten diskutieren noch darüber, ob Mitarbeiter motiviert werden müssen oder nicht. Sie wollen nicht akzeptieren, dass die meisten arbeitenden Menschen gute Arbeit abliefern wollen - solange man sie lässt. Die Kontrollitis, sei es in der Produktion, sei es für Projektleiter (z.B. MbO), motiviert nicht, sondern raubt den Menschen die Freude an der Arbeit. Schlechte Voraussetzungen für den KVP!!!
Wenn Firmen (soziale Systeme) jedes Jahr in Einzelteile (Verkauf, Einkauf, Produktion, ....) zerlegt und diese mit zig Zielen eingedeckt werden, werden die Beziehungen zwischen den Teilen zerstört. Das wichtigste ist aber laut den Systemtheoretikern die Beziehung zwischen den Teilen und nicht deren Einzelwirkung. Zerstörte Beziehungen sind eigentlich der Tod für den KVP!!!
Ich möchte Dich nicht weiter mit Theorien vollquatschen, es wird Dir sicher jemand erklären, dass alles ganz anders und viel einfacher ist!
Viel Erfolg bei der Suche zu KVP-Problemen, Du wirst einige finden. Würde mich freuen davon wieder zu hören.
Freundliche Grüsse
Florian Padrutt


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  • Wolfgang Horn
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#8668 by Wolfgang Horn
Replied by Wolfgang Horn on topic KVP Vor-und Nachteile (kritische Betrachtung)
Hi zurück, Andre,
Deine Zweifel an der "Nur-Positiv-Argumentation" sind vollkommen berechtigt.
So mancher würde "aus dem Bauch heraus" sagen:
a) "nach meinem gesunden Menschenverstand gibt es keine Medaille mit nur einer positiven Seite. Jede Medaille hat zwei Seiten, und greifen kann sie nur, wer auch die andere Seite sehen will und sieht."
b) "Für Medikamente gilt: Was eine erwünschte Wirkung, hat zugleich auch unerwünschte Nebenwirkungen. Sogar eigentlich wirkungslose Placebos. Wer überzeugt ist, es gäbe keine unerwünschten Nebenwirkungen, der glaubt entweder insgeheim an die Unwirksamkeit seines Mittels oder schwindelt uns was vor."
Was Florian gerade geschrieben hat, das unterstütze ich.
Wer ernsthafte Zweifel daran hat, der möge vortreten, sie vortragen, und dann begründe ich - zumindest meine Meinung - mit logischen und unwiderlegbaren Argumenten.
Mit diesen beginne ich beim Kleinunternehmer, beim Selbstständigen, nehmen wir ruhig den von Martin erfundenen "Giovannis Pizzaservice".
Giovanni will Zukunft für sein Unternehmen.
Weil andere Unternehmen wachsen und seinem die Kunden wegnehmen könnten, muß Giovanni selber auch wachsen.
Er will, daß seine Kunden wieder kommen.
Er will ihnen daher mindestens das liefern, was er ihnen zugesagt hat - Qualität.
Er will, daß potentielle Kunden lieber bei ihm bestellen als bei anderen. Also will er ein attraktivere Pizzen, Calzonis etc.
Jede Verbesserung bei seinen Konkurrenten übernimmt er und sucht, diese noch zu übertreffen.
Dies ständige Bemühen des Selbständigen könnte man auch als KVP begreifen, als Prozeß, wie Florian sagt. Es "Methode" zu nennen, hielte ich für falsch. (Daß wir Zweibeiner das Gleichgewicht halten, beschreibt man besser als Prozeß und nicht als eine von den Methoden, die man wie andere Methoden aus dem Lehrbuch lernen müßte.)
Angenommen, Giovannis Service ist gewachen. Er hat viele Niederlassungen. Jede mit einem eigenen Team, jedes ist das Beste. Glaubt es zumindest.
In jedem Team gibt es einen Niederlassungsleiter. Dem Giovanni die Gesamtverantwortung delegiert hat. Der, um die wahrnehmen zu können, in allen Fragen, die seine Niederlassung betreffen, das letzte Wort haben muß.
So, und nun kommt ein Berater in Nadelstreifen - oder ein Student von der Uni kommt daherstolziert im Wahn, der Besuch einiger Vorlesungen gebe ihm die Legitimation, nun als Berater aufzutreten -, und ruft "Mitarbeiter aller Niederlassungen, vereint euch in meinem Workshop, wir machen KVP und schlagen euren sturen Chefs vor, was die besser machen könnten. Herr Giovanni steht voll hinter mir!"
Wetten, daß die Rebellischen in Scharen herbeisgtrömen?
Wetten, daß die Chefs eine Graswurzelrevolution fürchten, deren geballter Schlagkraft kein Chef als Einzelner widerstehen kann - weil sein Verhältnis zu seinen gleichrangigen Kollegen gar nicht so gut ist wegen innerbetrieblichem Konkurrenzkampf?
Wetten, daß die Chefs nun auf stur schalten und gerade die Rebellischen über den Termin des KVP-Treffens hin woanders hin schicken, Pizza zum Südpol ausliefern?
Wetten, daß die Chefs meinen, Giovanni sei ihnen in den Rücken gefallen, einerseits vereinbare er mit ihnen Ziele, delegiere ihnen Verantwortung, und nun entmachte er sie teilweise, indem er den Mitarbeitern eine "Macht zur Veränderung" delegiert?
Das waren ein paar Nebenwirkungen. Es sind bestimmt noch mehr zu finden, wenn man nur erst mal angefangen hat, die Worte der nadelstreifengekleideten KVP-Prediger auch ein wenig kritisch zu sehen, die andere Seite der Medaille sehen zu wollen, die der Profi-Berater nicht sehen darf oder nicht sehen will, weil Berater mit Zweifeln weniger überzeugend klingen als Berater, die nicht nur behaupten, sie könnten barfuß über's Wasser laufen, sondern das auch glauben?
So, und damit was Brauchbares bei rausmkommt, auch ein kleiner Vorschlag zum Handeln: KVP ist so selbstverständlich, wie Givanni das als Selbständiger sowieso tun wird, um im Markt zu bleiben. So selbstverständlich, ich nenne das "natürlich", wie der Prozeß für Menschen, auf zwei Beinen das Gleichgewicht zu halten.
Problematisch wird's, wenn man einer Mannschaft eine Methode "auf's Auge drückt".
Besser ist, wenn Giovanni feststellt: "Jungs, unsere Konkurrenz überholt uns. Hippige Pizza, während wir noch die Rezepte von vor 10 Jahren verkaufen. Wir brauchen einen Prozeß, wie wir wieder aufholen. Macht euch mal Gedanken, und schlagt mir einen Weg vor. Ich achte drauf, daß keine Graswurzelrebellion draus wird, sondern der Prozeß wirklich gut ist für uns alle. Und dann probieren wir den mal."
Selbstbestimmung ist nicht, wenn man den Berater nachplappert. Sondern wenn man als Team selbst bestimmt.
Andre, Frage beantwortet?
Ciao
Wolfgang Horn



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  • Wolfgang M.
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#8672 by Wolfgang M.
Replied by Wolfgang M. on topic Re: Graswurzelrevolution
Hallo Namensvetter,
den Ausdruck "Graswurzelrevolution" habe ich vorher noch nie gehört. Aus dem Zusammenhang kann ich zwar ungefähr ableiten, was gemeint ist, könnten Sie aber vielleicht trotzdem kurz erklären, was Sie mit diesem Begriff genau meinen und verbinden?
Vielen Dank
Wolfgang




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  • Wolfgang Horn
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#8684 by Wolfgang Horn
Replied by Wolfgang Horn on topic Re: Graswurzelrevolution
Hi, Wolfgang,
"Graswurzelrevolution"- den Begriff habe ich irgendwo her und er gefällt mir besser als anderen, die ich kenne.
Eine ordentliche Revolution - wie die franzäsische von 1792 - zeichnet sich dadurch aus, daß das Volk die Regierung absetzt und selbst die Regierungsverantwortung und -gewalt übernimmt.
Revolution ist das glatte Gegenteil von Charisma.
Charisma nenne ich, wenn die Mitarbeiter sagen. "Unser Chef führt uns dahin, wo wir sowieso hinwollen. Er ist kompetent und gerecht, (manchmal auch zu hart...), unter seiner Leitung erreichen wir unsere Ziele mit weniger Mühe als unter der eines anderen. Lieber den als einen anderen."
Revolution ist, wenn Volk/Mitarbeiter sich eben nicht mehr gut geführt fühlen.
In einem Unternehmen aber ist eine ordentliche Revolution nicht denkbar wegen der ungleichen Verteilung der Risiken: Die einen verlieren ihr Kapital, ihr Vermögen, unwiderbringlich, die anderen behalten ihre Arbeitskraft und dürfen nur neue Arbeitgeber suchen.
Trotzdem erleben wir, daß Vorgesetzte stürzen oder sich fangen, weil ihre Mitarbeiter ihnen nicht mehr folgen.
Ein Arbeitnehmer darf das aber nicht. Er hat seinen Arbeitsvertrag zu erfüllen.
"Graswurzelrevolution" nenne ich nun, wenn Mitarbeiter ihren Vorgesetzten stürzen, ohne daß der ihnen einen Verstoß gegen ihre Arbeitsverträge nachweisen kann.
Welche Formen habe ich davon bisher erlebt?
Da war mein Klassenlehrer, dem ich Abiturient erklärt habe, wir hätten unsere Abschlußfahrt schon geplant und als Begleitpersonen hätten Lehrer X und Lehrerin Y schon zugesagt...
Er machte eine gute Miene zum Spiel und nachfolgende Klassen berichteten, er sei sehr viel angenehmer geworden.
Da war der stellvertrende Gruppenleiter in meiner Grundausbildung beim Bund, ein Sadist.
Wir haben alle Befehle befolgt, aber nicht mehr. Und als die Abreise aus dem Lager eine Stunde vorverlegt worden war, aber keiner uns ausgefordert hatte, auch ihn zu informieren, da haben wir alle brav gemacht, was uns befohlen war - und er hatte das "Glück", daß der Kommandeur ihn mitnahm.
Im Kriege soll so was auch viel schlimmer ausgegangen sein.
Da war der Gruppenleiter, der von seinem Abteilungsleiter erführ, daß alle seine Mitarbeiter geschlossen in eine andere Abteilung gewechselt hätten.
Da war das Projektteam, das erst Widersprüche eingelegt hatte: "ja, aber...", dem die dann verboten worden waren, das Dienst nach Vorschrift machte - und als das Projekt scheiterte, war der Projektleiter weg.
Ist es nicht sogar eine stehende Redewendung der Wieder Philharmoniker? "Und wenn wir einen Diregenten überhaupt nicht leiden können, dann spielen wir ganz genau das, was er dirigiert."
Ich kenne sogar ein Unternehmen, in dem der "konstruktive Ungehorsam" zu einem produktiven Element der Unternehmenskultur wurde und auch von den Chefs toleriert wurde.
Ähnlich wie der Maria-Theresia-Orden aus dem Schlesischen Krieg. Den bekam derjenige Kommandeur, der gegen stehende Befehle verstoßen - und Erfolg gehabt hatte. (Andernfalls bekam er keinen Orden, sondern verlor er seinen Kopf.)
_Ich habe ihn zum General gemacht, damit er weiß, wann er ungehorsam sein muß.“ (Friedrich der Große)
Wenn ein Fußballtrainer seine Abfindung bekommt und es in der Modernsprache heißt: "Er erreichte sein Team nicht mehr", vermute ich eine Graswurzelrevolution des Teams.
Graswurzelrevolutionen der unvollständigen Art erlebe ich immer da, wo nachher die Innere Kündigung festgestellt wird.
Ein Graswurzelrevolution der gekonnten Art habe ich erlebt, wo der Vorgesetzte mit seinen Mitarbeitern Ziele "vereinbaren" wollte und die ihm gesagt haben, was machbar ist, was nicht, und was er gegenüber dem höheren Chef zu vertreten hat. Der Erfolg nachher ging ganz auf seine Kappe. Er war nur pro forma noch Führungskraft, ansonsten war er nur im Amt geblieben, weil er sich der Führung seiner Mitarbeiter unterworfen hatte.
Ich erwarte ein Ansteigen der Häufigkeit der Graswurzelrevolutionen, weil die Mitarbeiter von heute zu qualifiziert sind für die Führungs- und Motivationstechniken von vorgestern.
Ich vermute: "mehr als 1/2 der Vorgesetzten, die ihres Amtes enthoben werden, verlieren dies als Folge einer Graswurzelrevolution". Denn welcher Abteilungsleiter gesteht schon ein, sich in der Wahl eines Teamleiters getäuscht zu haben, also eine fehlerhaft Menschenkenntnis? Also stützt er ihn.
Wenn er ihn dann doch fallen lassen muß, müssen die schlimmen Umstände unübersehbar geworden sein - wohl, wenn das Team ihn eben nicht mehr stützte.
Danke für die Gelegenheit, mir über meinen flapsigen Ausdruck selbst klarzuwerden.
Ciao
Wolfgang Horn



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  • Florian
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#8698 by Florian
Replied by Florian on topic Graswurzelrevolution
Hallo Wolfgang
*Ich erwarte ein Ansteigen der Häufigkeit der Graswurzelrevolutionen, weil die Mitarbeiter von heute zu qualifiziert sind für die Führungs- und Motivationstechniken von vorgestern.*
Damit hast bei mir voll ins Schwarze getroffen! Darf ich diesen Satz in meinen Publikationen verwenden, natürlich unter Angabe der Quelle :-)?
Gruss Florian


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