Qualitätsabteilung aufgelöst - Einzelfall oder neuer Trend?

  • Frank Hergt
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#5720 by Frank Hergt
Hallo Wolfgang!
Ist bei uns vor 4 Jahren auch passiert. Die Qualitäter wurden auf Entwicklung und Fertigung verteilt. Als Rest blieb eine kleine Stabstelle für die Systempflege. Seitdem geht's der Qualität deutlich besser. Grund: Die gute alte Arbeitsteilung "Ich mache meinen Job und Du machst dazu die Qualität" ist endlich vorbei. Grundvoraussetzung allerdings (bei uns erfüllt): Die Geschäftsleitung ist mit einigem Druck dahinter her, daß jeder seine Arbeit sauber macht. Schlechte Qualitätszahlen oder auffällige Vorkommnisse können zu sehr intensiven Rückfragen führen. So langsam ist auch das mittlere Management ziemlich auf Linie. Noch ein paar Jahre, schätze ich, und wir sind ziemlich stabil.
Fazit: Es ist keine Frage der Organisationsform sondern des Engagements der Führung. Wenn die z.B. auf FMEAs in der Entwicklung und Umsetzung der daraus sich ergebenden Erkenntnisse drängt, brauchst Du Qualitäter nur noch als Spezialisten für z.B. selbige FMEAs. Aber davon hatten wir's ja schon oft.....
PS: Rettungsmaßnahmen wo erforderlich: Letztendlich nur durch die Kunden. Auf uns ist der Druck da beträchtlich.



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  • Sabine
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#5722 by Sabine
Replied by Sabine on topic Evtl. eine neue Chance?
: "Hallo, wie geht's?" am Rande eines DGQ-Regionaltreffens.
: "Ja, hallo, ich bin jetzt selbständig!" antwortet "Herr QMB", den ich als sehr engagiert kennengelernt hatte.
: Er fährt fort: "Ich bin im vorzeitigen Ruhestand. Die Geschäftsführung meiner XY (eine Art Körperschaft, öffentlich-rechtlich, Monopolist ihrer Branche) hat entschieden, früher sei es auch ohne Qualitätsabteilung gegangen, so wurde sie aufgelöst. Qualität ist jetzt Aufgabe jedes Einzelnen."
: "Oh je", sacken meine Schultern nach unten, "und die anstehende Rezertifizierung? Ihre Geschäftsführung hat doch so geworben mit DIN ISO?"
: Grinsendes Schulterzucken zur Antwort.
: Das ist Inkonsequenz der GF, auf die Spitze getrieben!
: Die GF hatten die unangenehmen Führungsaufgaben an die Qualitätsabteilung delegiert.
: Ich vermute, das Management empfand die Qualitäter dann als unangenehm. Dabei erinnere ich mich an Spieß und Stubendurchgang in der Grundausbildung. Wenn wir gekonnt hätten, den hätten wir auch gern in den vorzeitigen Ruhestand geschickt.
:
: Ich erinnere mich, ein Kollege hier hatte vor ein paar Wochen nach Begründungen für Nutzen/Notwendigkeit seiner Qualitätsabteilung gefragt.
: Sind das Einzelfälle oder die Vorläufer eines neuen Trends?
: Solche Vorläufer sind häufig Randerscheinungen, wie große Imperien wie die UdSSR sich zuerst an ihrem Rande auflösen, wie damals in Polen, Ungarn, Baltikum, Georgien, Tschetschenien... Dort, wo man mitgemacht hat, weil es alle gemacht haben, aber ohne die Notwendigkeit, die ein qualitätsbewußter Großkunde setzt.
: Wenn kein Einzelfall, sondern Trend - wo geht der hin? Die Fortsetzung der Inkonsequenz der GF, ihrer Arbeitsverweigerung in Sachen "Führen + Vorbildsein"? Also Anarchie?
: Im Einzelfall erst mal ja. Und dann?
: Also, gibt's weitere Beobachtungen?
: Wenn ja, wäre die nächste Frage die nach Rettungsmaßnahmen.
:
: Ciao
: Wolfgang Horn
Guten Morgen Wolfgang,
kann denn das Auflösen der Q-Abteilung nicht auch bedeuten, daß sich wieder jeder einzelne im Unternehmen um Qualität bemüht und sich nicht blind auf die Q-Leute verlässt, nach dem Motto: "Die machen das schon!" ??
Ohne Q-Abteilung muss die Führungsmannschaft wieder die Rolle des Q-Motors übernehmen, ansonsten hat er innerbetrieblich in organisatorischer Hinsicht bald ein Problem. Wildwuchs kostet.
Schade für uns Qualitäter, aber vielleicht nicht schlecht für die Unternehmen.
Meiner Meinung nach ist es sowieso besser, den Führungsverantwortlichen und deren Mitarbeitern die Qualität zu überlassen, meine Rolle hierbei habe ich bislang lediglich beratend gesehen. Ist natürlich die Frage, wer sich einen festangestellten Berater noch leisten kann.... Ich sehe meine Aufgabe als erfolgreich erledigt an, wenn das Q-System auch funktioniert, wenn es auf den Schultern des Betriebes lastet. Auf meinen Schultern hätte es keinen langfristigen Sinn. Das käme dem Kampf mit den Windmühlen gleich.
Ergo: Ein guter Qualitäter ist ein einer, der ein Q-System implementiert hat, welches auch gut ohne ihn läuft.
Gut für mein Konto ist allerdings, das dies immer sehr lange dauert....
Sonnige Grüße aus dem Norden
Sabine



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  • Vivian
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#5723 by Vivian
Hallo Wolfgang,
ich denke es gibt mindestens zwei Trends in den Unternehmen.
1. Trend (der positive zuerst)
Die Geschäftleitung gibt mehr Verantwortung an die Mitarbeiter ab. Es werden z. B. für ein Produkt/Produktgruppe autonome und selbständig arbeitende Teams gebildet. Die Geschäftsleitung greift maximal regulierend und moderierend in Notfällen oder Konflikfällen ein. Das Team ist für das Ergebnis verantwortlich und befähigt das Ergebnis zu erreichen.
... tolle Sache auch für die Motivation der Mitarbeiter

2. Trend (bereits oft diskutiert)
In manchen Unternehmen werden unangenehme Aufgaben an die Qualitätsabteilung delegiert, wie sie bereits festgestellt haben. Irgendwie ist ja das moderne prozessorientierte QM für alle Unternehmensprozesse verantwortlich. Der QMB wird in seiner Arbeit durch fehlende Kompetenz in der GL maximal behindert, kann demzufolge nur minimale Erfolge aufweisen. Irgendwann stellt sich die GL (z. B. unter Kostendruck) die Frage, was bringt uns QM .... nichts. Ein Sündenbock ist schnell gefunden - Outsoucing oder auch Rauswurf. Eigenglich sehr clever - damit kann man als Führungskraft jeden Unsinn im Unternehmen verzapfen ohne selbst spürbar beschädigt zu werden. Die Mitarbeiter/Kunden greifen denjenigen an, der nach außen als der Verantwortliche präsentiert wird und dessen Verantwortung plausibel erscheint.
Oder es gibt eine Stabsfunktion innerhalb einer Firmengruppe, deren Inhaber sich für die Harmonisierung der unterschiedlichen Standards der Einzelunternehmen einsetzt ... Stabsfunktion? ... Outsourcing.
Dann gibt es auf der 2. Führungsebene kompetente unangenehme Querulanten und Kritiker (buuuhhh Eigenlob)wie mich, welche schon mal die Grundsatzfrage nach dem "Warum?" stellen. Die sollte man besser loswerden, bevor sie einem schlaflose Nächte bereiten.
Bei unserer ganzen Diskussion dürfen wir nicht vergessen, es gibt im Unternehmen Mitarbeiter, die ausdrücklich geleitet werden wollen und auch müssen. Nicht alle Mitarbeiter wollen und können selbstverantwortlich handeln. Manche Mitarbeiter suchen auch einfach nur den Weg des geringsten Widerstandes oder testen Toleranzgrenzen der Schlamperei gnadenlos aus. Solche Mitarbeiter sind gefährlich für die Qualität. Sie verbreiten ihre Erfahrungen mit der Bequemlichkeit in rassantem Tempo und ziehen andere Mitarbeiter, die sich bisher richtig abgemüht haben, mit in diese Philosopie hinein.
Das Verhalten habe ich sowohl bei Werkern als auch bei Akademikern beobachtet. Meine Beobachtung warnt mich deutlich davor, völlige Selbstverantwortung zu proklamieren. Das hat so etwas von Selbstverantwortungs-Romantik.

Sonnige Grüße

Vivian

PS.: Ich habe sie weiter unten als Idealist abgestempelt - kein Kommentar?



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  • Martin S
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#5724 by Martin S
Replied by Martin S on topic Die praktischen Auswirkungen wären...
Hallo Wolfgang,
das wäre der Aufhänger für einen Witz:
Frage: Wie nennt man es, wenn Qualität die Sache jedes EInzelenen ist ?
Antwort: Anarchie.
Stell Dir die Auswirkungen vor , wenn Qualität die Sache jedes Einzelnen wäre:
Auf welchem Papier würde die Geschäftsleitung die Kündigung für Herrn QMB schreiben, wenn es die DIN-Normen für Papier (DIN A0 - A6) nicht gäbe ?
Würde der dicke Daimler die Geschäftsleitung sicher in's Geschäft befördern, wenn es keine DIN-Normen für Schrauben mehr gibt ?
Könnte die GL noch sicher in der Öffentlichkeit auftreten, wenn der Qualitätsstandard für die Haftkraft der Gebisscreme nicht weiter verfolgt wird ?
Könnte die Gechäftsleitung nach einem üppigem Geschäftsessen noch entspannt auf dem Stillen Örtchen sitzen, wenn es keine DIN-Normen für den Durchmesser für Toiletten-Abflussrohre gäbe ?
Uhh...ich weis nicht, ob sich dieser Trend fortsetzen wird..
Gruß, Martin S



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  • Wolfgang Horn
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#5727 by Wolfgang Horn
Replied by Wolfgang Horn on topic Moin!
Moin, Sabine,
sagt der Buten-Bremer aus München.
Reaktion auf alle Antworten bisher: Natürlich. Die Geschäftsführung ist Vorbild für das Unternehmen, ob sie ihre Vorbildfunktion nutzt oder läßt.
Stabsfunktionen sind immer beratend, entweder für die GF oder andere auf ihre Kosten.
Die Verantwortung darf nur in die Linie liegen, nirgendwo sonst (wobei sekundär ist, ob die Linie fachlich orientiert ist oder nach Prozessen).
Wer den QMB als Führungsersatz benutzt, ein schwerer Führungsfehler, wird als Führungsschwäche gedeutet, die Frustration beiderseits unvermeidlich.
(Hatte gerade eine Diskussion, wurde schief angeguckt, als ich meinte, wenn ein GF glaubwürdig bleiben will, dann darf er die Leute nicht nur persönlich einstellen, sondern er persönlich muß ihnen auch eröffnen und begründen, warum er sich von ihnen trennt. Das einem Outplacement-Experten zu übertragen spart nur vordergründig Arbeitszeit - weil es die Vorbildungwirkung ist "ich drücke mich vor unangenehmen Dingen". Da drücken sich die Mitarbeiter ähnlich. Und die Folgen daraus kosten noch mehr Arbeitszeit.)
Frank, warum hast Du nicht eher berichtet über Euren Schritt? Kam er Dir zu mutig vor?
Es ist doch folgerichtig:
a) Seit Firmengründung wird solide gearbeitet, weil die Leute einfach wollen, daß ihre Produkte funktionieren und die Kunden sie weiterempfehlen. Da bräuchten wir nur einen, der uns berät, wie sich da Mühen sparen lassen.
b) So groß und unpersönlich das Unternehmen geworden ist, so stark das Gegeneinander. So hart finanziellen Hard Facts, so sehr werden Kosten gesenkt auf Kosten der Qualität, für Kundenreklamationen gibt's ja ein Call-Center.
c) Als Gegenreaktion muß Qualität nun erzwungen werden, QM eingeführt als Bündel von Methoden. Hoher Aufwand, eigene Unternehmenseinheit.
d) Ist Schritt c) geglückt, macht jeder QM nun als Teil seiner Methoden, kann die Unternehmenseinheit wieder reduziert, ihre zentralen Aufgaben zumindest teilweise nebenamtlich erledigt werden.
Auch ein guter Berater sollte sich bemühen, sich selbst zu überflüssig zu machen. Dauercoaches zuzulassen ist ein Führungsfehler.
Im Zuge der Managementmodewellen sind viele Expertenstellen entstanden. Ein Kunde nannte das "Drehtürmanagement": Montags kommt der Projektmanagement-Experte, und erzählt dem Plant Manager, wie in seinem Werk die Projekte zu machen sind. Dienstags kommt der Lean Management-Experte, streicht Stellen und optimiert die Abläufe. Am Mittwoch kommt der Risk Management-Experte und weist alle in die komplizierten Methoden des Risk Managements ein. Am Donnerstag muß der QMB dann die Scherben aufsammeln...
So sehr all das eher dem Glanz der Managementmodewellenerfinder dient und der Experten, und weniger wirklich zu den Betriebsergebnissen beiträgt, werden diese Stellen wieder abgebaut.
Folgerung: Ihr Experten, spätestens, wenn der Controller euch mit Fragezeichen auf der Stirn anschaut: "Sagen sie mal, wozu sind sie eigentlich da?", zieht entweder die unschlagbare Begründung aus der Schublade, oder sucht euch eine Arbeit, für die der Endkunde gern zahlt.
Ciao
Wolfgang



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  • Bernhard
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#5731 by Bernhard
Hallo!
Da will ich doch auch mal meine Erfahrungen dazu kund tun:
Bei meinem momentanen Arbeitgeber (Systemlieferant der Automobilindustrie) gibt es relativ wenig QS_ler, dafür werden sehr viel Qualitätsaufgaben auf die Mitarbeiter übertragen. Die QS ist "nur" beratend und unterstützend (z. B. zum System) bzw. als "Stichprobenprüfer" unterwegs. Funktioniert ganz gut und wird meiner Meinung nach auf allen Ebenen auch sehr gut so akzeptiert.
Bei meinem vorigen Arbeitgeber war das etwas anders. Dort gab es für ca. 600 MA 2 Qualitäter und gleichzeitig sagte ein Fertigungsleiter "Ich mach die Stückzahl und Du die Qualität". Ist natürlich sch..., aber in solchen Unternehmen, wo mittleres und höheres Management keinen Sinn für Qualität hat (kostet ja nur), kann man auch 200 Qualitäter einstellen und es wird sich trotzdem nur sehr wenig ändern.
Ich denke, dass ein Q-Mitarbeiter in einer Firma immer notwendig sein wird. In beratender und unterstützender sowie auch in motivierender Funktion, aber die eigentliche Qualität wird immer nur von den einzelnen Mitarbeitern selbst kommen. Und wenn die kein Interesse daran haben, weil sie dahingehend nicht motiviert werden (mach gefälligst Stückzahl!), na ja, dann gibt_s halt keine Qualitätsprodukte. Der Wettbewerb wird dieses Problem dann schon regeln.
Ausbaden müssens dann, wie im richtigen Leben, natürlich die kleinen! Aber bring das doch mal einem Betriebswirt bei, der immer noch glaubt, dass er derjenige ist, der das Geld verdient und nicht das Produkt und beim Anblick seiner eigenen Produkte nur frägt: Was ist das denn?!
Wollte ich nur mal los werden.
Schöne Grüße
Bernhard



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